Auf der Suche nach der Sprache der Kunst

Kassel | Wirtschaft integriert erkundet im April die Kasseler Museumslandschaft in Begleitung der Kunsthistorikerin Karina Chernenko.

Bedarf Kunst einer Erklärung? Wenn ja, wie viel? Wann wird Kunst zu Kunst? Vermag Sprache die Essenz eines Kunstwerks wiederzugeben? Oder sind die Betrachtenden allein auf ihr Vorwissen und ihren subjektiven Eindruck angewiesen? 

Das sind nur einige der vielen anspruchsvollen Fragen, mit denen sich die Gruppe aus Kassel im April intensiv auseinandersetzte. Im Rahmen eines Projektmonats erkundeten die Teilnehmenden, in Begleitung der Kasseler Kunsthistorikerin Karina Chernenko, die Kasseler Museumslandschaft.

Insgesamt vier Ausstellungshäuser lernten sie innerhalb dieser Zeit kennen, um sich mit dem kulturellen und künstlerischen Erbe ihrer neuen Heimatstadt Kassel vertraut zu machen. Je eine Überblicksführung und ein anschließender Workshop erleichterten den Zugang und förderten das Verständnis für die anspruchsvollen Inhalte.

Das Hessische Landesmuseum stand als Erstes auf dem Programm. Zur großen Überraschung aller Beteiligten wurden unzählige Gemeinsamkeiten zwischen den (auf den ersten Blick so verschiedenen) Kulturen entdeckt. Durch die Steinzeit, über die Frühe Neuzeit, die Zeit der Aufklärung, bis hin zur Moderne durchquerte die Gruppe die Jahrhunderte und erkannte, dass das Thema Flucht und Ankunft (Neuanfang) kein neues, sondern ein immer wiederkehrendes Phänomen ist.

Als Nächstes war der Besuch bei den Alten Meistern im Schloss Wilhelmshöhe angesagt. Mit Begeisterung begab sich die Gruppe auf die Entdeckungsreise in die faszinierende Welt der Mythen, Könige und Helden. Die Emotionalität der gemalten Erzählungen ging vielen Teilnehmern sehr nah, so dass sie durch die Werke ihre eigenen dramatischen Geschichten mit den anderen teilen konnten.

In der darauffolgenden Woche war die Gruppe im Haus der Moderne, der Neuen Galerie zu Gast. Dieser Standort eignete sich insbesondere für zahlreiche Diskussionen. Die Begegnung mit zeitgenössischer Kunst löste viele Fragen aus und gab gleichzeitig die Möglichkeit sich sprachlich zu artikulieren. Freies Sprechen, Argumentieren und Beschreiben im Bezug auf zeitgenössische Kunst waren wohl die größte Herausforderung dieser Woche. Zur Unterstützung bekamen alle Beteiligten eine Liste mit beschreibenden Adjektiven, um Gedanken und Eindrücke leichter in Worte fassen zu können. Im Anschluss nutzte die Gruppe den Pädagogikraum um selbst kreativ zu werden, künstlerische Techniken zu erproben und die neuen Eindrücke zu verarbeiten.

Die letzte Station des Projekts bildete der Besuch der Landesausstellung „Landgraf Carl. Groß gedacht! Groß gemacht?“ im Fridericianum. Die Gruppe war von den eindrucksvollen Exponaten begeistert und lernte einen der bedeutendsten hessischen Landgrafen näher kennen. Anschließend duften die Teilnehmenden mit Hilfe von Arbeitsblättern selbst in der Ausstellung aktiv werden.

Den Abschluss des Museumsmonats bildete eine gemeinsame Reflexion, die zu einer interessanten Diskussion führte. Viele der Anwesenden waren überrascht wie stark auch die deutsche und hessische Geschichte von den Themen Flucht, Vertreibung und Neubeginn geprägt sind und wie viele Parallelen zur eigenen Kultur gezogen werden können.

Nach ihren Präferenzen gefragt, fühlten sich einige der Teilnehmer von der zeitgenössischen Kunst nicht im gleichen Maße angesprochen wie von den Alten Meistern, da ein Verständnis für das Gesehene fehle und es daher keine Kunst sei. Daraufhin betrachtete die Gruppe gemeinsam ein mitgebrachtes Werk von Goethe, welches von keinem auf den ersten Blick gelesen oder verstanden werden konnte und doch zweifelte niemand Existenz und Daseinsberechtigung an. Wie viel Erklärung braucht also die Kunst um verstanden und als Kunst anerkannt zu werden? Die Sprache mag die Brücke sein, die es den Betrachtenden erlaubt eine Annährung zu wagen, jedoch ist es das Interesse und die Bereitschaft sich auf Neues einzulassen, welche dem Werk die Gelegenheit bieten, selbst zu sprechen. Denn wenn man nur gut genug hinsieht erfährt man all die Geschichten von Leben und Tod, Liebe und Leid, Angst und Mut. Diese Geschichten sind weder an Ort noch Zeit gebunden. Sie berühren jeden Menschen, egal wo er herkommt, wie er aussieht oder welche Sprache er spricht. 

Das gesamte Wirtschaft integriert Team aus Kassel bedankt sich bei der Kunsthistorikerin Karina Chernenko, für die schönen Führungen und einen Monat voller neuer Eindrücke und bei der MHK, für die Ermöglichung des Projektmonats und die Übernahme der Kosten.

 

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